Eine Achterbahn des Nervenkitzels und der Ausblicke
Geschrieben von Jürgen Jerzembeck
Wir sind gerade von einem einwöchigen Mountainbike-Abenteuer in Livigno zurückgekehrt, dass uns sowohl mit den anspruchsvollen Trails als auch der überwältigenden Landschaft ein Grinsen ins Gesicht geschnitten hat. Wer hätte gedacht, dass sich dieses Winterwunderland in ein derartiges Sommerparadies für Abenteurer auf zwei Rädern verwandeln könnte!
Unser Zuhause fern der Heimat
Unser Basislager für diese Woche war die bikerfreundliche Montivas Lodge. Mit ihrem videoüberwachten Fahrradkeller, der Werkstatt und der Waschanlage war sie wie ein Fünf-Sterne-Hotel für unsere treuen Zweiräder. Und über das Frühstück brauchen wir gar nicht erst zu reden! Wir reden hier von selbstgemachten Rühreiern und Pfannkuchen sowie frischen Smoothies, die uns jeden Morgen die nötige Energie für den Tag lieferten.
Tag 1: Carosello 3000
50 km, 2600 Hm, Schwierigkeitsgrad: mittel bis fortgeschritten.
Wir begannen unser Abenteuer mit einer Seilbahnfahrt auf den Carosello 3000. Bei der Abfahrt wurden die Trails zunehmend technischer, mit steilen, kurvenreichen Abschnitten, die unsere Bremsen heiß (ich sag nur: David´s rotglühende Brensscheibe 🙂 und unser Grinsen breit werden ließen. Die langen Abfahrten verlangten volle Konzentration und eine exzellente Radbeherrschung – ein perfektes Warm-up für das, was noch kommen sollte!
Tag 2: Passo Alpisella, Val Mora (CH), Trela (IT)
76 km, 1775 Hm, Schwierigkeitsgrad: fortgeschritten.
Diese Route führte uns von Italien in die Schweiz und bot epische Panoramen und eine Reihe von technischen Herausforderungen. Die Strecke führte uns über Alpenpässe, schmale Singletrails und lange Anstiege, die uns einmal echt auf die Probe stellten. Der Abschnitt durch das Val Mora wechselt von Alpweiden, Landschaft von üppigem Grün zu steilen Berghängen, manchmal mit beängstigend schmalen Pfaden, die präzises Fahren und volle Konzentration erforderten.
Der Rückweg führte über den Trela Pass. Der Aufstieg windete sich über steinigem Untergrund und Serpentinen endlos steil nach oben. Auf einer Hochalm bot die Malga Trela (Haardbiker-Slang: Ponderosa Ranch) nicht nur Essen, sondern auch die letzte Möglichkeit, die Batterien der E-Bikes aufzuladen. Aber nicht für uns! Aus Zeitnot nahmen wir direkt den steilen Aufstieg zum Pass in Angriff. Danach ging der Anstieg in eine sanfte, fließende Abfahrt zurück nach Livigno über. Dieser letzte Abschnitt fühlte sich an wie der Flow des Roller Coaster Trails: schnelle Kurven und sanftes Terrain sorgten für ein unterhaltsames und lohnendes Ende der Tour. Die Kombination aus steilen Anstiegen und der abschließenden fließenden Abfahrt machte diese Route zu einem herausragenden Erlebnis.
Tag 3: Passo Livigno, St. Moritz Runde
60 km, Schwierigkeitsgrad: schwer.
Diese Tour führte von Livigno bis oberhalb St. Moritz und zurück. Besonders die steilen Anstiege und die endlosen Abfahrten über felsiges Gelände machten diese Tour zu einer der anspruchsvollsten der Woche. Ohne große Erfahrung im alpinen Gelände stellt diese Route eine echte Belastungsprobe dar.
Die atemberaubenden Aussichten auf die Schweizer Alpen waren die Belohnung und jede Schweißperle war es wert.
Tag 4: Stilvser Joch, Umbrail Pass, Bormio, Trela
50 km, 1100 hm, Schwierigkeitsgrad: mittel bis schwer.
Geschichte trifft Adrenalin! Nach einer Shuttlefahrt zum Stilvser Joch ging es abwärts zum Umbrail Pass (2501 m) mit dem Einstieg in den Trail direkt hinter der Passhöhe.
Diese Pfade waren einst militärische Versorgungswege und bieten heute atemberaubende Ausblicke auf die umliegenden Alpen. Etappenziel war Bocchetta di Forcola (2768 m), der Überreste aus dem Ersten Weltkrieg zeigt.
Der eigentliche Spaß begann an der Bocchetta di Pedenolo (2704 m), von wo aus eine spannende und flowige Abfahrt in Richtung Lago di Cancano beginnt. Steinige Serpentinen, eine gerissene Kette und steile felsige Abschnitte ließen uns schon mal den Atem anhalten, bevor wir den Staudamm des Lago di San Giacomo überquerten.
Von hier beginnt der anstrengende Anstieg über das Valle Pettini vorbei an der Malga Trela zum Trela Passes und endet (wieder, siehe Tour 2) in wunderbaren, flowigen Singletrails zurück nach Livigno. Die Abfahrt ist weniger technisch und war die perfekte Zugabe zu einem epischen Tag.
Tag 5: Mottolino Bike Park
1 km zum Lift, Schwierigkeitsgrad: blau bis doppelt schwarz
Für diese Tour haben wir unsere Rennschuhe gegen Fullface-Helme und Protektoren getauscht.
Der blaue Trail sollte zu Beginn die perfekte Mischung aus Flow und überschaubaren Herausforderungen bieten, um Vertrauen in das Gebiet, das Bike und das Können aufzubauen. Tatsächlich war die Strecke im unteren Bereich mit Northshore, Steilwand und knackigen Abschnitten eher Dunkelgrau als Blau!
Als unser Vertrauen wuchs, coachte Frank uns auf die roten Pisten. Und jetzt wurde es interessant! Die roten Strecken boten größere Sprünge, engere Kurven und technischere Abschnitte. Es war genau das richtige Maß an Herausforderung, um uns auf Trab zu halten, ohne uns zu überfordern. Ich ertappten mich dabei einen Drop zu springen, den ich Zuhause nie gefahren wäre.
Wenn sich jetzt jemand fragt, was es mit den berüchtigten schwarzen Pisten auf sich hat, die man auf YouTube zu sehen bekommt: Um ehrlich zu sein, haben wir einen Blick auf die massiven Sprünge und knorrigen Gaps geworfen und beschlossen: „Nee!“ Es gibt Dinge, bei denen man an seine Grenzen stößt, und dann gibt es solche, bei denen man sein Glück herausfordert. Wir waren hier, um Spaß zu haben, nicht um die Grenzen unserer Krankenversicherung auszutesten.
Am Ende des Tages waren unsere Unterarme aufgepumpt, Franks Wangen schmerzten vom Grinsen, und wir hatten echt Respekt vor den Trailbauern des Mottolino. Sie haben einen Park mit einem breiten Spektrum an Möglichkeiten geschaffen, der quasi alles bietet.
Tag 6: Carosello 3000 Tutti Frutti, Monte delle Rezze
43 km, 2700 hm (mit Liften), Schwierigkeitsgrad: mittel bis schwer.
Unsere letzte Tour kombinierte die besten Trails des Carosello 3000 mit einer epischen Runde um den Monte delle Rezze, wo es über die Carosello 3000 Station hinaus ging auf eine Höhe von 2858 Metern zum Gipfel.
Oben angekommen, hat man einen umfassenden Blick auf das Livigno-Tal und die umliegenden Berge. Das felsige Gelände oberhalb der Baumgrenze wirkt wie eine andere Welt mit gelegentlichen alpine Wildblumen und vereinzelten Murmeltieren.
Auf dem schmalen Pfad mit steilen Steigungen und scharfen Kurven gab es keine Probleme mit den zahlreichen Wanderern, die uns oder denen wir ausweichen mussten. Diesen Spirit müssen wir auch in die Haard bringen!
Fazit
Was für eine Woche! Unser Livigno-Abenteuer hat uns zu neuen Höhen geführt (im wörtlichen und im übertragenen Sinne) und uns Erinnerungen hinterlassen, die wir für immer in Ehren halten werden. Die Kombination aus anspruchsvollen Pfaden, atemberaubender alpiner Landschaft und der Kameradschaft in unserer Gruppe sorgte für ein unvergessliches Erlebnis.
Einige der Routen, die wir in Angriff nahmen, waren zwar eher für Fortgeschrittene geeignet, aber Livigno bietet etwas für Biker aller Niveaus.
Glaubt mir: Eure Beine werden euch verfluchen, aber eure Seele wird es euch danken!